Extremwandern

Für die Begriffe Extremwandern, Marathonwandern oder Ultrawandern gibt es keine festgelegte Distanz. In der Regel kann jedoch gesagt werden, dass es sich um Wanderungen handelt, die mindestens 50 Kilometer betragen und innerhalb eines bestimmten Zeitraums zurückgelegt werden müssen. Oft beinhaltet dies beispielsweise 50 Kilometer in maximal 12 Stunden oder 100 Kilometer in maximal 24 Stunden. Einige Veranstalter solcher Events gehen noch weiter und setzen beispielsweise eine Dauer von 26 Stunden für eine Strecke von 120 Kilometern fest.

 

Es gibt mittlerweile zahlreiche Veranstalter solcher Wanderevents. Zu den bekanntesten gehören der Mammutmarsch und der Megamarsch. Diese Events finden das ganze Jahr über in verschiedenen Städten statt.

 

Unser erstes Event dieser Art war der 100 KM Megamarsch Frankfurt im Oktober 2019. Die Entscheidung zur Teilnahme fiel sehr spontan, und bevor wir uns im März 2019 anmeldeten, waren wir noch nie mehr als 5 KM am Stück gewandert. Fairerweise muss jedoch gesagt werden, dass Daniel als leidenschaftlicher Jogger bereits über gute Voraussetzungen verfügte. Zudem trat Daniel nur an, damit ich nicht nachts alleine im Wald wandern musste. Während der Vorbereitungsphase war die längste Strecke, die wir am Stück bewältigten, genau 50 KM lang.

Wir trainierten so oft es ging, insbesondere an Wochenenden, wo wir lange Wanderungen unternahmen. Diese Trainingseinheiten waren entscheidend, um nicht nur unseren Bewegungsapparat an die Distanzen zu gewöhnen, sondern auch unsere Ausrüstung zu optimieren und die richtige Ernährung zu testen. Vornehmlich das Thema Schuhe erwies sich als herausfordernd, da wir keinen idealen Schuh fanden und auch nicht mit dem optimalen Schuh antraten. Bezüglich der Ernährung machten wir bei unserem ersten Event trotz zahlreicher Anpassungen während des Trainings immer noch einige Fehler.

Mein erster Rückschlag ereignete sich nach unserer ersten 20-Kilometer-Wanderung, als ich einen Ermüdungsbruch erlitt und mehrere Wochen lang nicht trainieren konnte. Aus diesem Rückschlag zog ich jedoch etwas Positives: Der Orthopäde verschrieb mir Sporteinlagen, die mir seitdem das Wandern deutlich erleichtern

 

Am Samstag, dem 12. Oktober 2019, war es endlich so weit, und leider erreichten wir unser Ziel nicht. Nach knapp 78 Kilometern mussten wir aufgeben, da ich mehrere Blutblasen an den Füßen hatte. Heute weiß ich, dass ich nicht nur die falschen, sondern auch viel zu engen Schuhe getragen hatte.

Nach diesem Rückschlag packte mich jedoch der Ehrgeiz richtig, und ich meldete uns direkt für den nächsten Megamarsch in Frankfurt 2020 sowie den Mammutmarsch 2020 in Hamburg an. Da die Zeit bis dahin jedoch noch lang war, meldete ich uns außerdem für den 50-Kilometer-Megamarsch in Erfurt 2019 an. Am Samstag, dem 16. November, war es dann so weit, und nach 10 Stunden und 26 Minuten erreichten wir das Ziel und nahmen unsere Medaille entgegen.

 

Leider konnte ich am Megamarsch Frankfurt 2020 und am Mammutmarsch Hamburg 2020 nicht teilnehmen, da ich im Februar desselben Jahres bei einem Skiunfall eine Tibiakopffraktur erlitten hatte, also einen kniegelenksnahen Bruch des Schienbeinkopfes.

 

Dann brach die Coronaphase an, und große physische Veranstaltungen waren nicht mehr möglich. Stattdessen entstanden viele virtuelle Märsche. So habe ich meinen ersten 100-Kilometer-Marsch am 6. Dezember 2020 beim Megamarsch 'Wir gehen weiter, Nikolaus Spezial' beendet. Ich wanderte insgesamt 100 Kilometer im Umkreis unseres Hauses

 

Der Mammutmarsch Berlin 2021 war mein erster realer 100-Kilometer-Marsch, an dem ich wieder teilnehmen konnte.

 

Die Rahmenbedingungen beim Start waren optimal. Es hätte nicht besser sein können: weder warm noch kalt, kein Regen und ein blauer Himmel. Mein Knie schmerzte auch seit einigen Tagen nicht mehr. Ich startete um 14 Uhr, und die Strecke war einfach nur wunderschön. Ich musste mich wirklich zurückhalten, um nicht alle paar Meter Fotos zu machen.

 

Ab Kilometer 23 fühlte ich mich plötzlich schlecht; ich hatte kaum Energie, und mein Knie schmerzte sehr. Meine Gedanken drehten Achterbahn. Bei Kilometer 27 stieß ich auf eine freie Bank mit einer wunderschönen Aussicht und machte eine Pause. Ich rieb mein Knie mit einem Kühlgel ein, trank eine Cola und nach weiteren 5 Minuten Pause mit grandiosem Blick setzte ich meine Wanderung fort - und fühlte mich wie neu geboren. VPS (Verpflegungsstation) 2, 3 und 4 nutzte ich lediglich zum Wasserauffüllen.

 

Die Route war bis zum Sonnenuntergang einfach traumhaft schön und nicht wirklich anspruchsvoll - solange man der Versuchung der vielen wunderschönen Rast- und Einkehrmöglichkeiten widerstehen konnte. Je dunkler es wurde, desto anspruchsvoller wurde die Strecke: nicht wegen der Höhenmeter (die waren lediglich 600), sondern weil sie sehr uneben, eng und der Sand nicht optimal war. Und das Schilf musste auch überwunden werden. Der Vorteil war, dass ich die Nacht gut überstanden habe, da ich dauerhaft damit beschäftigt war, nicht umzuknicken oder ins Wasser zu fallen.

 

Bei Kilometer 70 hatte ich ein Hochgefühl: Nur noch 30 Kilometer, und ich hatte noch 10 Stunden Zeit. Dass ich ab Kilometer 90 nur noch im Schneckentempo vorankommen würde, war mir zu der Zeit nicht bewusst.

 

Die letzten 10 Kilometer waren definitiv die härtesten meines Lebens. Es ist schwer zu beschreiben, was körperlich und mental in einem vorgeht. Ich kann immer noch nicht glauben, dass ich einfach weitergegangen bin. Nach 21 Stunden und 45 Minuten erreichte ich dann erschöpft und glücklich das Ziel.

 


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